Was früher geschehen ist, wird wieder geschehen
In ihrer Arbeit gelingt es Zoyeon ein Gefühl zu erzeugen, das – für sie als Ausländerin – zwischen Erstaunen und Hilflosigkeit oszilliert. Sie schlägt eine Brücke zum Bericht des Hendrik Hamel, nimmt die Betrachter_innen mit auf eine virtuelle Reise zu einer imaginären Destination, kompiliert aus zufällig gefundenen Bildern und KI-generierten Porträts.
Ursprünglich publiziert als Journael van de ongeluckige voyagie van ‚t jacht de Sperwer (dt. Übersetzung Hendr. Hamels Tagregister von dem / nach dem Königreich Corea verschlagenen Holländischen Schiff / der Sperber genannt) beschreibt das Buch die Erlebnisse von Hendrik Hamel, einem holländischen Buchhalter, der 1653 in Korea strandete und dort 13 Jahre als Gefangener lebte, bevor er schließlich freikam. Während seines Zwangsaufenthalts konnte er sich relativ frei bewegen und unter den Einheimischen ein normales Leben führen, was ihm ermöglichte, detailliert davon zu berichten, wie er die koreanische Gesellschaft im 17. Jahrhundert als weißer Mann erlebte – zwischen Staunen und Hilflosigkeit.
Zoyeon zieht eine Parallele zwischen ihrer Erfahrung als koreanische Frau, die im 21. Jahrhundert in Europa lebt, und der von Hamel: In beiden Fällen ist es nötig, sich in einer neuen Sprache und Kultur zurechtzufinden, um zu überleben – im Unterschied zu einem Ort, wo man allein auf Basis der eigenen Existenz verstanden wird. Insbesondere beschäftigt sie die Ambivalenz von Erfahrungen, die gleichzeitig von Gastfreundschaft und Unterdrückung zeugen. Diese Uneindeutigkeit wird zu einem zentralen Motiv ihrer Arbeit, dargestellt anhand von Gegenüberstellungen realer und imaginärer Haltungen, die auf den ersten Blick paradox erscheinen: eine rassistische Gesellschaft, in der Übereinstimmung herrscht, dass Rassismus falsch ist; eine Gesellschaft, in der der Verzehr von Fleisch tief verwurzelt ist und in der sich doch sehr viele Menschen vegan ernähren; eine Gesellschaft, die blonde Frauen hasst und liebt.
Ein weiteres Schlüsselmotiv ihrer Arbeit ist das Gefühl, als anders abgestempelt zu werden – nicht dazuzugehören, die Logik der Diskriminierung nicht zu begreifen. Die Künstlerin übersetzt dieses Gefühl der Haltlosigkeit – als Frau in Korea und als Ausländerin, Asiatin, und als Frau in Deutschland – in ein bildliches Narrativ, um gleichzeitig die Frage zu stellen, ob sie nun eine Frau ist, die fern der Heimat lebt, oder doch eine Gefangene. Um dieses Gefühl, als andersartig behandelt zu werden, bei den Betrachter_innen hervorzurufen, bedient sie sich auf satirische Art und Weise derselben eurozentrischen Kolonialsprache, die auch Hamel in seinem Bericht aus Korea verwendet– eine Sprache, die im 21. Jahrhundert immer noch auf unheimliche Weise Mechanismen der Unterdrückung transportiert.
Zoyeons Arbeit erscheint in Gestalt einer Kombination von Panoramafotografie und fiktiven Tagebucheinträgen, mit deren Hilfe sich die Erzählung von einer Reise ins imaginäre Unbekannte verfolgen lässt. Verschiedenste Fotografien gehen ineinander über, die Grenzen der collagierten Objekte sind fließend. Die Texte sind auf ein panoramaartiges Bild montiert, legen Zeugnis ab von imaginären Personen, Botschaften und Ereignissen, mit denen sie auf der Reise konfrontiert wird.
Agathe Blume